Die digitalen Editionen von 'Narragonien digital'


'Narragonien digital' erschließt das 'Narrenschiff' Sebastian Brants und seine Ausgaben und Bearbeitungen vor 1500 im digitalen Medium - in Ergänzung zu bisherigen Print-Editionen, teilweise erstmals überhaupt (siehe das Textkorpus ).

Ziel ist zum einen eine überlieferungsnahe Präsentation der Narrenschiffe, die ihrer spezifischen Medialität und überlieferungsgeschichtlichen Dynamik Rechnung trägt. Zum anderen soll eine integrierte Arbeitsumgebung mit digitalen Tools die weitere Forschung zu den Narrenschiffen unterstützen.


Das auf Sebastian Brant zurückgehende Narrenbuch wurde bis ins 17. Jahrhundert neu aufgelegt, nachgedruckt, adaptiert, übersetzt, reformuliert und in der europäischen Literatur und bildenden Kunst rezipiert. Diese Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte des 'Narrenschiffs' in der Frühen Neuzeit ist bisher nur ansatzweise erschlossen und aufgearbeitet (vgl. die Literaturhinweise zur Überlieferung). Zwar liegt inzwischen die vollständige Werkbibliographie zu Brant von Knape / Wilhelmi vor, in der auch Rezeptionszeugnisse des 'Narrenschiffs' verzeichnet sind. Und immerhin ist die Basler Erstausgabe des deutschen 'Narrenschiffs' seit Zarncke 1854 in zahlreichen Ausgaben erschlossen worden (vgl. unseren Überblick zur Editionsgeschichte). Doch danach "wird es dunkel" (Grundig / Hamm / Walter 2017).

Weder die nachfolgenden Originalausgaben Brants noch die unautorisierten Nachdrucke von 1494 oder die berühmt-berüchtigte interpolierte Fassung aus Straßburg (1494/95) liegen bisher in neuzeitlichen Editionen vor. Auch die lateinische Bearbeitung der 'Stultifera navis', die für die europäische Rezeption maßgeblich wurde, ist bislang nur in einer zweisprachigen Teilausgabe verfügbar (eine Neuausgabe entsteht seit 2022 in Würzburg). Ähnlich ist es um die nachfolgenden europäischen Narrenschiffe bestellt: Mehrere der französischen Bearbeitungen aus der Zeit um 1500 sind unediert und wenig erforscht. Ebenso wie die niederdeutsche Bearbeitung liegen die beiden englischen Adaptationen, die 1509 in London gedruckt wurden, nicht in brauchbaren Editionen vor. Eine Ausnahme markiert die hervorragende Edition des mittelniederländischen 'Narrenschiffs' durch Theo Janssen und Ann Marynissen von 2018.

Die Mehrheit der europäischen 'Narrenschiff' ist, wie der knappe Überblick zeigt, bisher nur in den Druckausgaben des 15. Jahrhunderts verfügbar, die inzwischen zumindest als Digitalisate über das Internet zugänglich sind. Hier setzt das Editionsprojekt 'Narragonien digital' an, das 12 frühneuzeitliche Druckausgaben europäischer 'Narrenschiffe' - davon acht erstmals überhaupt! - editorisch zugänglich macht.
Die auf 'Narragonien digital' edierten Ausgaben und Bearbeitungen werden unter dem Menüpunkt Textkorpus einzeln aufgeführt und im Detail beschrieben. Es handelt sich um zwölf frühneuzeitliche Druckausgaben, die acht 'Narrenschiffe' überliefern:

  1. Sebastian Brants ‚Narrenschiff‘ (Synopse: Basel 1494, 1495, 1499; Lesetext: Basel 1495) - Erstedition der von Brant verbesserten Zweitausgabe

  2. Anonyme Nürnberger Bearbeitung des 'Narrenschiffs' (Synopse / Lesetexte: Nürnberg 1494) - Erstedition

  3. Anonyme Straßburger Bearbeitung des 'Narrenschiffs' (Synopse / Lesetexte: Straßburg 1494/1495) - Erstedition

  4. Jakob Lochers lateinische Bearbeitung 'Stultifera navis' (Synopse: Basel 1.3.1497, 1.8.1497, 1498; Lesetext: Basel 1.8.1497) - Erstedition der von Brant verbesserten Zweitausgabe

  5. Rivières französische Versbearbeitung 'Nef des folz du monde' (Synopse / Lesetext: Paris 1497) - Erste digitale Edition

  6. Anonyme französische Prosabearbeitung 'Nef des folz du monde' (Synopse / Lesetext: Paris 1499) - Erstedition

  7. Anonyme niederdeutsche Bearbeitung 'Narren schyp' (Synopse / Lesetext: Lübeck 1497)

  8. Anonyme niederländische Bearbeitung 'Dit is der zotten ende der narrenscip' (Synopse / Lesetext: Paris 1500)

In der Synopse können alle zwölf 'Narrenschiff'-Drucke des Textkorpus ausgewählt und kapitelweise einander gegenübergestellt werden. So lässt sich etwa das 4. Kapitel aus der Zweitausgabe von Sebastian Brants 'Narrenschiff' in das eine und das 4. Kapitel von der Erstausgabe von Jakob Lochers 'Stultifera navis' in das andere Fenster laden (siehe hier). Für jedes Fenster der Synopse lässt sich zudem eine Textansicht wählen (Digitalisat, diplomatische Transkription, ggf. Lesetext). Diese Kapitelsynopse will den überlieferungsgeschichtlichen Vergleich verschiedener Narrenschiffe erleichtern.

Die Ansicht Lesetexte ermöglicht es, die acht Narrenschiffe jeweils als durchsuchbaren, behutsam normalisierten Lesetext (mit aufgelösten Abbreviaturen und Sonderzeichen) aufzurufen, der durch Kapitelnavigation, Registereinträge und aufgelöste Marginalnotate erschlossen ist. Als Leittext liegt dabei, sofern vorhanden, die korrigierte Zweitausgabe oder die editio princeps zugrunde.
Das ausgaben- und sprachübergreifende Orts- und Personenregister umfasst Kurzbeschreibungen der Lemmata und ihre Belege in den 'Narrenschiff'-Ausgaben. Man gelangt so schnell vom Text in das Register und vom Register in den Text.

Im lateinischen und in zwei der französischen Narrenschiffe verweisen Randnotate auf Belegstellen in der Bibel, in antiken Klassikern und in Rechtstexten. Im Register Belegstellen sind diese Marginalnotate aufgelöst und die Textpassagen als Volltext verlinkt.

Das Durchsuchen der 'Narrenschiff'-Texte ist in der Ansicht "Lesetexte" möglich. Darüber hinaus führt die Filterung nach Layoutzonen , die sich zunutze macht, dass alle frühneuzeitlichen Narrenschiffe die ursprüngliche Kapitelgliederung und das festgelegte Kapitellayout (mit Motto, Holzschnitt, Titel, Spruchgedicht) aufweisen. Mit der Filterrecherche lassen sich diese Layoutzonen in bestimmten Kapiteln einzeln auswählen und in mehreren Narrenschiffen anzeigen (z.B. alle Holzschnitte zu Kap. 4 in deutschen und lateinischen Ausgaben).